Lövstabruk und die Familie De Geer

Lövstabruk und die Familie De Geer

Von Dr. Karin Monié. Übersetzung: Helmut Müssener.

Auf der Fassade des Herrenhofs Lövstabruk, auf dem Altaraufsatz der Kirche und an vielen anderen Stellen in Lövstabruk kann man das rotweiße Wappen der Familie De Geer mit dem französischen Wahlspruch Non sanse cause [nicht ohne Grund] entdecken. Es ist zwar unauffällig, aber nicht nur schön, sondern auch ungewöhnlich sinnvoll.

Die Wurzeln von Lövstabruk reichen bis ins Mittelalter. Im Ort existierten damals zwei Hütten, von denen die älteste von Bauern betrieben wurde, eine Bondebruk; sie wird 1576 erstmalig erwähnt. Eine zweite, eine Kronobruk, die dem Staat, der Krone, gehörte, kam 1596 hinzu; die Niederländer Willem de Besche und Louis de Geer (1587 – 1652) pachteten sie ab 1626/27. Dieser übernahm bald darauf das Unternehmen, und die Hütte blieb im Besitz der Familie de Geer, bis der Betrieb 1926 bzw. 1986 stillgelegt wurde. Die Familie bestand bald nach 1625 aus mehreren Zweigen, wobei der Zweig auf Lövstabruk seinen Namen mit einem kleinen d, also de Geer, schrieb, was ihn von den anderen Familienzweigen unterschied.

Louis De Geer, der Ahnherr der Familie in Schweden, war Bankier und Großkaufmann. Mit seiner Frau Adrienne Gérard (1590-1634) zog er von Dordrecht nach Amsterdam, wo er als Händler und im Bankwesen tätig war. Als solcher gewährte er der schwedischen Krone hohe Darlehen, die es ihm erleichterten, die Hütte zu pachten. Nachdem er 1627 die schwedische Staatsangehörigkeit erhalten hatte, konnte er sie 1643, also noch während des 30-jährigen Krieges, erwerben. Es ist allerdings fraglich, ob er oder seine Frau jemals in Lövstabruk waren, obwohl im Speisesaal des Herrenhofes Portraits der beiden hängen. Louis De Geer wurde bereits 1641 in Schweden geadelt, was für seine weitere Karriere in Schweden von größter Bedeutung sein sollte.

Zunächst kümmerte er sich vor allem um seine Investitionen in Norrköping, wohin er einen Großteil der Arbeitskrafteinwanderer aus Wallonien dirigierte, und sollte als Vater der Industrialisierung Schwedens in die Geschichte eingehen; er gründete Kanonengießereien, Eisenwerke und Textilfabriken. In Stockholm ließ er einen Palast im niederländischen Barock erbauen und plante ein stattliches Schloss in Finspång in der Nähe Norrköpings, das seine Erben dann bauten. Er war in erster Linie ein Finanzmann, aber kümmerte sich auch um die Erziehung der Jugend. Zusammen mit Kanzler Axel Oxenstierna lud er den berühmten tschechischen Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius nach Stockholm ein, ein Beweis für sein Interesse an den Bildungsbestrebungen der Reformation. Comenius besuchte Louis de Geer 1642 auch in Finspång. Dass dieser in diesen Jahren auch eine Schule in Lövstabruk einrichtete, die auch Mädchen besuchen durften, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass er sich für Erziehung und Ausbildung einsetzte.

Als Louis de Geer 1652 starb, erbte sein Sohn Emanuel Lövstabruk, der die Produktion weiter ausbaute; so kaufte er 1658 die sogenannte Bauernhütte, Bondebruk, und errichtete nicht weit von Lövsta eine Hochofenanlage in Tobo. Ab 1670 war Lövstabruk die größte Eisenhütte des Landes. Aber auch Emanuel wohnte nicht in Lövstabruk, sondern überließ die Leitung sehr geschickten Verwaltern. 1692 erbte dann Charles de Geer, sein Neffe väterlicherseits, Ort und Unternehmen, wobei zum Erbe auch das Schloss Stora Wäsby nördlich von Stockholm gehörte, bis heute Sitz der Familie de Geer. Er kümmerte sich sehr um die Anlage des Herrenhofes, die 1702 abgeschlossen wurde. Die Einnahmen der Hütte waren hoch, aber die Katastrophe stand vor der Tür. Denn während des großen Nordischen Kriegs legten die Russen 1719 Herrenhof, Ort und alle Hüttenanlagen in Schutt und Asche. Aber Charles De Geer engagierte sich sehr für einen zügigen Wiederaufbau, und Lövstabruk erhielt zu diesem Zeitpunkt weitgehend den Grundriss und das Aussehen, die es bis heute beibehalten hat. Die vorher roten Gebäude wurden allerdings nun gelb verputzt, eine Farbe, die bis heute dominiert. Charles De Geer setzte sich ebenfalls sehr für die Wiederbelebung der Gegend um Lövstabruk ein und investierte große Summen in den Wiederaufbau der benachbarten Anlagen in Österlövsta und Karlholm. Sein großes Engagement wurde mit der Stellung eines Landeshauptmanns belohnt.

Als er 1730 starb, erbte erneut ein Neffe, der ebenfalls Charles hieß und dessen Bruder Louis bereits Finspång übernommen hatte, den größten Teil des Erbes als Fideikommiss.

Charles wuchs in Utrecht auf und erhielt eine erstklassige Ausbildung vor allem in Naturwissenschaften und Technik. Im Alter von 19 Jahren kam er 1739 nach Lövstabruk, um die Leitung der Hütte zu übernehmen. Der Verwalter, ein Direktor Touscher, hieß ihn mit einem langen Gedicht willkommen, das er hatte schreiben lassen, um dem jungen Patron ein Bild davon zu geben, was man alles von ihm erwartete. Der Nachwelt ist er als ausgezeichneter Entomologe bekannt, der die große Bibliothek in Lövstabruk gründete und Mitglied der Königlichen Wissenschaftsakademie wurde. Als erster der Familie heiratete er eine Schwedin, Catharina Charlotta Ribbing, und er war der erste in der schwedischen Aristokratie, der seine Kinder gegen Pocken impfen ließ. Bis zu seinem Tod 1778 wohnte er auf dem Herrenhof in Lövstabruk, den er mit Sorgfalt und mit hohen Kosten nach dem Geschmack der Zeit hatte einrichten lassen. Dort sorgte er für ein reges, kulturelles Gesellschaftsleben, in dem nicht zuletzt die Musik eine wichtige Rolle spielte.

Nach seinem Tode folgte auf Charles De Geer den Älteren sein gleichnamiger Sohn. Er engagierte sich politisch, lehnte die absolutistische Herrschaft Gustav des Dritten ab und hatte als Kammerherr großen Einfluss am Stockholmer Hof.

Als er 1805 starb, übernahm sein Sohn Carl die noch grösser gewordenen Liegenschaften, der ebenfalls regen Anteil am politischen Leben in der Hauptstadt nahm. Er wurde Graf und Landmarschall, d. h. Vorsitzender des Ritterhauses, als solcher Präsident des adligen Standes im Vierständereichstag Schwedens und damit sogar Reichstagspräsident. Durch den Erwerb mehrerer Güter in Schonen und Södermanland vergrößerte er wesentlich den Besitz der Familie und galt als Schwedens reichster Mann. Zu seinen Lebzeiten spielte der Herrenhof in Lövstabruk jedoch nicht länger die Rolle, die er unter seinem Vater und Großvater eingenommen hatte.

Nach seinem Tode erbte der älteste Enkel seines Onkels väterlicherseits das Fideikommiss; ihm folgte 1877 sein Bruder Louis, der die Hütte modernisierte und in Karlholm die Verhüttung nach dem Lancaster-Prozess-Verfahren einführte.

Sein Sohn trat in die Fußstapfen des Vaters und investierte weiter in Hütte und ihre Produktion. Seine wissenschaftlichen Interessen fanden unter anderem ihren Ausdruck darin, dass er die Kleine Bibliothek im Herrenhof einrichtete. Allzu früh starb er 1914 nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur großen Bestürzung und zur großen Trauer der Bevölkerung des Ortes, die spürte, dass eine Epoche zu Ende ging.

Unter seinem Bruder und Nachfolger Louis wurde die Hütte an ein Unternehmen verkauft, das sie 1926 stillegte, während ein Zweig der Familie, der in der Schweiz lebte, das Fideikommiss erbte. Als dieses dann 1978 aufgelöst wurde, übernahm ein weiterer Louis de Geer Lövstabruk und schenkte den Park, die Gebäude und den Herrenhof einer Stiftung, die 1986 mit der Auflage gegründet wurde, dass die gesamte Anlage als Kulturdenkmal erhalten werden und als solches der Allgemeinheit zugänglich sein sollte.

 

— Louis De Geer und seine Frau Adrienne Gérard im großen Saal des Herrenhofs. Louis De Geer wurde von David Beck gemalt.

Das Porträt seiner Frau ist die Kopie eines Gemäldes eines unbekannten Künstlers aus dem 17. Jahrhundert. foto: Gabriel Hildebrand, 2018.

Im großen Saal des Herrenhofs hängen die Porträts der frühesten Eigentümer der Hütte und ihrer Frauen. foto: Gabriel Hildebrand, 2018.

Lövstabruk kurz vor der Brandschatzung durch die Russen. Gemälde im Herrenhof Lövstabruk. foto: Gabriel Hildebrand, 2015.

Lövstabruk nach dem Wiederaufbau im 18. Jahrhundert. Lavierung von Daniel Tilas aus dem Jahr 1762. Universitätsbibliotek Uppsala.


Litteratur:

Tomas Anfält, ”Herrgård och bruk. Om livet på Leufsta på 1700-talet”. I Vallonerna. Stiftelsen Leufstabruks utställningskataloger nr 3. 1996
E,W. Dahlgren. Louis De Geer. 1587–1652. Hans lif och verk. Faksimilutgåva med inledning av Görgy Nováky. Atlantis i samarbete med Föreningen Leufsta Vänner 2002
Louis de Geer, ”Ätten de Geer på Leufsta”. I Ann-Charlotte Ljungholm, red. Lövstabruk. Ej sin like i hela riket. Stiftelsen Leufsta 2011

Av Karin Monié